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Kater muss hinter Gitter

Lange Jahre war der "Gestiefelte Kater" ungeschoren davongekommen. Nun musste sich die Figur aus Grimms Märchen im Mainzer Staatstheater für diverse Verbrechen verantworten - und bekam in einem fiktiven Prozess eine Haftstrafe von drei Jahren aufgebrummt.
Schauspielerin Pascale Pfeuti als gestiefelter Kater; Bild: dpa
Schauspielerin Pascale Pfeuti als gestiefelter Kater; Bild: dpa

In weinroter Samtjacke und prächtigen, weißen Stiefeln hockt der Kater auf der Anklagebank. Seine Schnurrhaare zucken nervös, als der Richter das Urteil spricht. Nach rund zweieinhalb Stunden Verhandlung steht fest: "Der Gestiefelte Kater" aus dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm muss für drei Jahre ins Gefängnis - "oder wahlweise in ein Tierheim", wie der Richter ergänzt.

Der Schauprozess am Montag, er geht nicht in einem ordentlichen Gerichtssaal über die Bühne, sondern vor rund 70 Besuchern auf "Deck 3" des Mainzer Staatstheaters. Angeleiert hat das Projekt die europäische Jurastudenten-Vereinigung ELSA (The European Law Students Association).

Die Kooperation mit dem Theater lag nahe: Dort wird "Der Gestiefelte Kater" in diesem Jahr in einer Inszenierung von Marcus Mislin als Familienstück aufgeführt. Das Stück handelt von dem Müllerssohn Hans, der nach dem Tod seines Vaters nichts als einen Kater erbt. Hans ist enttäuscht, doch das Tier entpuppt sich bald als cleverer Gesell, der Hans schnell zu Wohlstand verhilft.

Jurastudentin und ELSA-Mitglied Felicitas Famulla aus Mainz bildet bei dem Prozess zusammen mit einem Kommilitonen die Staatsanwaltschaft. Zwei weitere Studenten aus Mainz und Frankfurt treten als Verteidiger auf. "Es geht darum, das ganze Wissen aus Büchern einmal in der Praxis anzuwenden", sagt Famulla. Insgesamt sieben Schauspieler aus dem Stück mimen Angeklagte und Zeugen.

Verhandelt werden Vergehen aus dem Märchen: Eine Rauferei im Wirtshaus, unterlassene Hilfeleistung an zwei Zauberlehrlingen - und der versuchte Mord an einer Maus. Auf der Anklagebank sitzen neben dem gewieften Stubentiger Slim (Pascale Pfeuti) auch dessen Herrchen Hans (Christoph Türkay) und eine Prinzessin (Nadja Blank).

Gemeinsam versuchen sie, Richter und Staatsanwaltschaft um den Finger zu wickeln: der Kater maunzend, Hans nervös stotternd, die Prinzessin augenklimpernd. Doch auch deren Schlusswort ("Wir sind hier die Guten!") hilft am Ende wenig: Die beiden Mitangeklagten werden zu Bewährungsstrafen von je einem Jahr verurteilt.

Die Urteile spricht Richter Wolfgang Eckert. Der 55-Jährige ist Vorsitzender Richter am Landgericht Mainz und findet die Idee vom Schauprozess originell und spannend: "Weil man den Studenten dadurch das Prozessuale ein bisschen näherbringen kann", sagt er - bevor er routiniert und humorvoll die Befragung leitet.

Immerhin vom Vorwurf des versuchten Mordes an der Maus wird der Kater am Ende freigesprochen. Die Verurteilung wegen schweren Raubes, Sachbeschädigung und gemeinschaftlichen Diebstahls nimmt er in stolzer Gelassenheit hin. Die Staatsanwaltschaft hatte immerhin sechs Jahre gefordert, im Schlussplädoyer aber auch strafmildernde Umstände festgehalten. Schließlich müsse sich der Kater "in einer menschlichen Gesellschaft auch erst einmal zurechtfinden".

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