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Rheinland-Pfalz und Ruanda stehen im Gedenken zusammen - Neue Projekte der Zusammenarbeit werden Partnerschaft weiter stärken

30 Jahre nach dem brutalen Völkermord in Ruanda reiste Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit einer Delegation aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nach Ruanda. Die beiden Länder verbindet seit 42 Jahren eine Graswurzelpartnerschaft. Es gibt wohl keinen Landkreis in Rheinland-Pfalz, der keinen Freundeskreis hat. Mehr als 2.500 gemeinsame Projekte, 50 Ruanda-Vereine, zwölf Kirchen, etwa 50 Kommunal- und 194 Schulpartnerschaften.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Ruanda beim Krankenhaus in Ruli.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Ruanda beim Krankenhaus in Ruli.

„Das gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Das Herz der Graswurzelpartnerschaft sind der ‚Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz / Ruanda‘ und das Koordinationsbüro in Kigali, sozusagen unsere ‚Botschaft in Ruanda‘, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

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Ergebnisse dieser Reise sind:
  • Konkrete Verabredungen für eine gemeinsame Strategie zur Fachkräftegewinnung,
  • neue Kooperationen in der Friedens- und Konfliktforschung mit der Friedensakademie Rheinland-Pfalz,
  • Weiterbildungsangebote für rheinland-pfälzische Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland und Ruanda,
  • multinationale Studienmöglichkeiten, die die Universität Trier für Studierende aus Ruanda und Deutschland anstoßen will.

Der erste gemeinsame Fernstudiengang BioMex, ein Ergebnis der Delegationsreise von Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Jahr 2022, geht schon diesen Sommer an den Start.

Die Delegation erlebte Ruanda in der Regenzeit. In intensiven Farben erstrahlten seine 1.000 Hügel und die Luft war so klar, dass man schon kurz hinter Kigali die 4.000 Meter hohen Virunga-Vulkane im Norden des Landes sehen konnte. Sie sind Heimat der berühmten Berggorillas. Das Straßenbild wirkte malerisch: Ruanderinnen in farbenprächtigen Kleidern, Motorradtaxifahrer mit knallroten Helmen. Gute Infrastruktur, Sicherheit und die freundlichen Menschen haben die Hauptstadt Kigali zu einem bedeutenden Kongresszentrum entwickelt.

Was man in diesen Tagen nicht sehen, sondern nur fühlen konnte, ist ein tiefer Schmerz, den die Menschen still ertragen. Ihre Erinnerung an Verfolgung, Angst und Leid, an die Schreie der Opfer spürte man in den Gesprächen 30 Jahre nach dem schrecklichen Völkermord in dem kleinen ostafrikanischen Land. 100 Tage Inferno. Mehr als 800.000 Menschen wurden auf brutalste Weise getötet: Männer, Frauen, Greise und Kinder. Die meisten von ihnen gehörten zur Volksgruppe der Tutsi. Am 7. April 1994 begann das systematische Massen-Morden. Jetzt – 30 Jahre später - gedenkt das Land der Opfer und der Überlebenden. Die Trauerzeit „Kwibuka 30“ will erinnern, vereinen, erneuern.

„30 Jahre nach dem schrecklichen Völkermord stehen die Partnerländer Ruanda und Rheinland-Pfalz im Gedenken zusammen. Wir trauern mit den Überlebenden um die Opfer. Sie sind nicht vergessen und sie dürfen nicht vergessen werden. Ich bewundere die Überlebenden für ihre Kraft zur Versöhnung“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer nach dem nationalen Trauerakt in Kigali. Zusammen mit Delegationsmitgliedern hat sie der Gedenkveranstaltung „Kwibuka 30“ beigewohnt. Viele Staatschefs und –chefinnen sowie hochrangige Vertreter und Vertreterinnen aus Afrika, Asien, den USA und aus Europa waren am 30. Jahrestag des Ausbruchs des Genozids nach Ruanda gekommen, um Anteilnahme und Solidarität zu zeigen. Präsident Paul Kagame sagte, sein Land stehe in der Schuld der Überlebenden: „Wir baten Euch um das Unmögliche“ – nämlich Versöhnung mit den Tätern, „damit Ruanda wieder als geeinte Nation auferstehen kann. Sie tragen die Bürde der Versöhnung.“ Ruanda sei ein junges Land. 75 Prozent seiner Bevölkerung sei jünger als 35. Die Generation, die nach dem Genozid aufgewachsen sei, wurde nicht mehr eingeteilt in Hutu oder Tutsi. Diese Generation werde ein neues, ein geeintes Ruanda aufbauen.

Präsident Kagame mahnte zugleich, sein Land werde sich nie wieder auf den Schutz anderer verlassen. Die internationale Gemeinschaft hätte den Völkermord verhindern können, sei aber tatenlos geblieben. Die Weltgemeinschaft habe dem Völkermord tatenlos zugesehen.

Schwierige Partnerschaft in Zeiten des Genozids

Rheinland-Pfalz ist seit bald 42 Jahren Partnerland von Ruanda. Nach dem Genozid war nicht klar, ob es eine Zukunft für die Partnerschaft geben könne. Viele der Freunde und Projektpartner waren getötet, andere waren Mitläufer oder sogar Anführer der Todes-Milizen geworden. Der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber war der erste Politiker aus Deutschland, der nach dem Genozid im Oktober 1994 das zerstörte Partnerland besuchte, und der damalige Leiter des Koordinationsbüros in Kigali, Rudolf Fischer, gehörte zu den ersten Ausländern, die wieder ins Land kamen. Fast 100 Tage lang war das Koordinationsbüro das rettende Versteck.

Gertrud Schanne-Raab, Mitglied im Ruanda-Komitee Zweibrücken, und Karl Heil vom Ruanda-Komitee Bad Kreuznach sind seit der ersten Stunde dabei und waren auch Teil der Delegation der Ministerpräsidentin. „In den 35 Jahren, in denen ich Ruanda besuchen konnte, sind umwälzende Entwicklungen zu beobachten. Die Partnerschaft nach dem Genozid von 1994 weiterzuführen und zu verstärken, war für uns die einzig vernünftige Entscheidung, denn sie dient den Menschen – in Ruanda wie bei uns, um im direkten Kontakt gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Wir leben in der „Einen Welt“ und sind miteinander verbunden“, sagte Karl Heil.

Norbert Neuser, Präsident des Partnerschaftsvereins Rheinland-Pfalz / Ruanda gehörte ebenfalls der Delegation an: „Die Gedenkveranstaltungen und Trauerfeierlichkeiten im Rahmen der Delegationsreise aus Anlass des 30. Jahrestages des Beginns des Genozids haben gezeigt, wie sehr sich Ruanda bei der Bewältigung des Genozids engagiert und eine beeindruckende Gedenkkultur entwickelt hat. Vereinbart wurde, dass die gemeinsamen Erfahrungen und aktuellen Herausforderungen in Ruanda und Rheinland-Pfalz in die Arbeit des Partnerschaftsvereins verstärkt einbezogen werden, folgend der gemeinsamen Verpflichtung ‚Nie wieder!‘.“

Wie Rheinland-Pfalz und Ruanda bei Gedenkarbeit und Konfliktforschung zusammenarbeiten wollen

„Wir befassen uns in der Trauerzeit „Kwibuka 30“ intensiv mit dem Thema Friedens- und Konfliktforschung. An der Universität Ruanda haben wir das Zentrum für Konfliktmanagement besucht. Die drei Masterstudiengänge für Völkermordstudien, Präventions- Friedens-und Sicherheitsstudien dort sind auch für uns hochaktuell: Wann wird aus Hassrede und Propaganda brutale Gewalt und was kann man tun, um Konflikte frühzeitig zu erkennen? Ich sehe darin große Möglichkeiten für Kooperationen und voneinander zu lernen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Wie langwierig und schmerzhaft das Aufbereiten der eigenen Vergangenheit ist, haben wir in Deutschland nach dem Holocaust erlebt. Das Versprechen: `Nie wieder!`, ist auch die Verpflichtung für Gedenkarbeit.“

Landtagspräsidentin Hendrik Hering fasste seine Eindrücke zusammen: „Die Reise nach Ruanda war für mich in jeder Hinsicht bereichernd. Ich habe viele Einblicke in den Umgang Ruandas mit dem Genozid erhalten. Besonders beeindruckt hat mich, dass Ruanda sehr große Anstrengungen bei der juristischen Aufarbeitung des Genozids unternommen hat. Aus den vielen spannenden Begegnungen nehme ich Inspiration mit für unsere Erinnerungs- und Gedenkkultur hier in Rheinland-Pfalz.“

Christian Sterzing, der Vorsitzende der „Friedensakademie Rheinland-Pfalz“ und Geschäftsführer Gregor Walter-Drop waren ebenfalls bei der Delegationsreise dabei. „Gerade für die Friedensakademie spielt die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda eine besondere Rolle, denn Ruandas Geschichte resultiert in ganz besonderen Strukturen im Bereich von Friedenspädagogik und Erinnerungskultur. Die Delegationsreise war in diesem Zusammenhang für die Akademie außergewöhnlich erfolgreich. Nicht nur ist es gelungen, in Ruanda selbst zahlreiche Kontakte zu knüpfen, die Grundlage für die Entwicklung einer dauerhaften Kooperation sein können, sondern auch die Vernetzung innerhalb der Delegation selbst war für die Akademie von großem Wert. Insgesamt war es daher ein wichtiger Baustein auf dem Weg, der Akademie ein stärker auf rheinland-pfälzische Themen ausgerichtetes Profil zu verleihen“, so Sterzing und Drop.

Martina Kracht von der KZ-Gedenkstätte Osthofen, ebenfalls Delegationsmitglied, hat die Entwicklung der Genozid-Gedenkstätte „Garten der Erinnerung“ intensiv begleitet: „Aus Sicht der Landeszentrale für politische Bildung war die Delegationsreise sehr aufschlussreich und weiterführend. Der Genozid in Deutschland liegt 80 Jahre zurück, es gibt ein breites Angebot in der Erinnerungskultur. Ruanda steht an einem anderen Punkt. Die älteren Menschen haben den Genozid erlebt, die jüngeren Menschen sind mit der Traumatisierung einer gesamten Altersgruppe konfrontiert. Hier gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Schön wäre es, ruandische Mitarbeiter bei uns in Deutschland begrüßen zu dürfen und ihnen unsere Arbeit vorstellen zu können.“

Bildung ist das Herz der Partnerschaft

Bildungsministerin Stefanie Hubig, die auch an der Delegationsreise teilgenommen hat, sagte dazu: „Bildung ist bis heute der wichtigste Schwerpunkt unserer Partnerschaft mit Ruanda. Mit meinem ruandischen Amtskollegen Gaspard Twagirayezu haben wir weitere Punkte der Zusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung und der Lehrerfortbildung vereinbart. Über 700 Schulen wurden im Rahmen der Zusammenarbeit gemeinsam gebaut, renoviert oder ausgestattet, 194 aktive Schulpartnerschaften gibt es zwischen unseren Ländern. Wir schaffen damit Zugang zu Bildung für Kinder in Ruanda und ermöglichen die Begegnung und den Austausch mit einem anderen Land, einer anderen Kultur und Sprache.“

Großes Potential für eine stärkere Zusammenarbeit im Hochschulbereich für beide Seiten sieht die Präsidentin der Universität Trier, Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer: „Die zahlreichen Kooperationsgespräche mit dem Ministerium sowie Angehörigen von Hochschulen haben gezeigt, dass die Zeit reif ist für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen in Rheinland-Pfalz und Ruanda. Denkbar ist dabei die Intensivierung des Studierendenaustauschs, etwa im Bereich der Pflege- und Bildungswissenschaft, oder die Erarbeitung gemeinsamer bi- oder transnationaler Studiengänge insbesondere im Konfliktmanagement, der Friedensbildung und der Erinnerungskultur.“

Partner im Gesundheitswesen und bei der Zukunftstechnologie Biotechnologie

Ruanda zählt zwar zu den ärmsten Ländern der Welt, hat aber eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung. Auch die Gesundheitsversorgung ist vorbildlich für ganz Afrika. Eine Krankenversicherung ermöglicht allen Ruandern Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Kindersterblichkeit konnte drastisch reduziert werden. In Ruli, gut zwei Autostunden von Kigali entfernt, hat die Delegation von Ministerpräsidentin Malu Dreyer eines der größten und ältesten Krankenhäuser des Landes besucht. Unterstützt wird es seit vielen Jahren von Partnern aus Kaiserslautern Stadt und Land. 21 Pflegeschüler und -schülerinnen haben dort gerade ihren Deutschkurs abgelegt. Ihr Wunsch ist, sich in Deutschland weiterzubilden und vorübergehend in Deutschland zu arbeiten. „Das kann eine Win-Win-Situation für beide Länder sein“, sagte die Ministerpräsidentin.

Ein wichtiger Meilenstein für Gesundheitsvorsorge und Impfgerechtigkeit in ganz Afrika ist auch das BioNTech Werk in Kigali. Dort soll in BioNTainern der erste mRNA Impfstoff in Afrika für Afrika produziert werden. Die Delegation konnte die Großbaustelle in der Sonderwirtschaftszone im Osten Kigalis besichtigen. Das BioNTech Team dort sind 25 Männer und Frauen aus acht Nationen, die meisten von ihnen kommen aus Afrika. „Die Fachkräfte, die dafür in Ruanda benötigt werden, bilden wir auch zusammen mit der Hochschule Bingen aus. Sie konzipiert gemeinsam mit dem Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Kigali einen zertifizierten englischsprachigen Fernstudiengang BioMex für Biomedizin und Biotechnologie, der im Sommer starten soll und sich an ruandische und rheinland-pfälzische Studierende sowie Berufstätige richtet, die eine zertifizierte Zusatzqualifikation in den oben genannten Bereichen erwerben möchte“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer weiter.

Insgesamt hat die GIZ 290 Mitarbeiter in Ruanda. Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorstandssprecher der GIZ, war Delegationsmitglied und sagte nach der Reise: „Rheinland-Pfalz hat den Aufruf der Bundesregierung vor über 40 Jahren mustergültig aufgenommen und eine starke Partnerschaft mit Ruanda entwickelt, die viele Erfolge vorweisen kann. Eine Partnerschaft, die nach dem Genozid vor einer enormen Belastung stand. Viele Bürgerinnen und Bürger aus Rheinland-Pfalz haben einen Beitrag geleistet, mit den Folgen des Genozids beispielsweise beim Schulaufbau umzugehen. Auch in der beruflichen Bildung zeigt sich das, besonders nach der Entscheidung von BioNTech in Ruanda zu produzieren. Wir freuen uns, Partner beim Aufbau unter anderem beim Studiengang BioMex sein zu können und sind zuversichtlich, dass es weitere Kooperationen geben wird“, so Schäfer-Gümbel.

„Der Besuch des neuen BioNTech-Werks in Kigali hat mich sehr beeindruckt. Insbesondere, dass bei diesem Vorhaben die strategische Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der kontinuierliche Wissenstransfer zwischen Deutschland und Ruanda von Anfang an eine zentrale Rolle spielen. Ich bin mir sicher, dass diese Partnerschaft einerseits dabei helfen wird, die Nutzung des neuen Werks in Kigali zu optimieren und andererseits dem Aufbau eines international wettbewerbsfähigen Biotechnologieclusters in Rheinland-Pfalz zugutekommen wird“, sagte Johannes Heger, Präsident der Landesvereinigung Unternehmensverbände Rheinland-Pfalz:

Susanne Wingertszahn, Vorsitzende DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, zeigte sich ebenfalls beeindruckt. „Ruanda hat sehr viele Frauen in Führungspositionen, so auch bei den Beschäftigten des Biontech-Werkes in Kigali. Ich habe die Rolle der Frauen im Land als besonders positiv wahrgenommen. Das Parlament ist überwiegend weiblich. Das Ministerium für Geschlechter und Familienförderung legt einen Gender-Check über jedes einzelne Gesetzesvorhaben."

Rheinland-pfälzisch-ruandisches Modell für Fachkräftegewinnung im Pflegebereich

Die große Bedeutung der Partnerschaft für Ruanda zeigte sich auch in den Gesprächen mit hochrangigen Politikern: Bei diesem Besuch war Ministerpräsidentin Malu Dreyer gleich zwei Mal im Präsidentenpalast. Sie traf zuerst First Lady Jeanette Kagame und im Anschluss daran tauschte sie sich in einem einstündigen Gespräch mit Präsident Paul Kagame aus. Außenminister Vincent Biruta und Innenminister Jean Claude Musabyimana nahmen ebenfalls an dem Gespräch teil.

Im Zentrum standen das Gedenken, der Stand der Partnerschaft und die Fachkräftegewinnung. Sie vereinbarten, ein rheinland-pfälzisch-ruandisches Modell zu entwickeln, um für beide Seiten dringend benötigte Pflegekräfte zu gewinnen. Ruanda habe sehr viele junge Menschen ohne Ausbildungsperspektive und Rheinland-Pfalz mehr Ausbildungsmöglichkeiten als Auszubildende. Eine Win-Win Situation könne daher darin bestehen, junge Ruander und Ruanderinnen in Deutschland aus- oder weiterzubilden im Bereich Pflege und ihnen die Möglichkeit zu geben, für einige Jahre in Deutschland zu arbeiten, bevor sie dann als hochqualifizierte Pflegekräfte zurück in Ruanda ihr Wissen weitergeben können.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich nach dem Gespräch tief berührt von Kagames Schilderung, dass 30 Jahre für einige Menschen ein langer Zeitraum sein könne, dass es für viele Menschen in Ruanda aber ein kurzer Zeitraum sei, weil die Erinnerungen an den Völkermord schmerzhaft gegenwärtig seien. Die meisten der 150.000 verurteilten Mörder des Genozides sind nach Angaben des Präsidenten mittlerweile aus den Gefängnissen entlassen. Eine wichtige Voraussetzung sei gewesen, dass sie Reue zeigten und heute wieder friedlich Tür an Tür mit Überlebenden lebten. Erst vor wenigen Wochen hat die gemeinsame Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern aus Rheinland-Pfalz und Ruanda in einer Erklärung für die kommenden Jahre die gemeinsamen Ziele definiert: Bildung, Austausch in Wissenschaft, Wirtschaft und eine gemeinsame Fachkräftegewinnung standen dabei ganz oben auf der Agenda.

First Lady Jeanette Kagame informierte Ministerpräsidentin Malu Dreyer über ihre Stiftung „Imbuta“, die sich vor allem der Förderung von Mädchen verschrieben hat. Frauen haben in Ruanda eine starke Stimme. Hier gibt es weltweit die meisten Frauen im Parlament, Unternehmerinnen sind der Motor der schnell wachsenden Wirtschaft. Sie werden staatlich gefördert und haben ein eigenes starkes Netzwerk. Die Emanzipation ist eng verknüpft mit der Katastrophe des Völkermords. Das Treffen mit den Organisationen AVEGA, der 90.000 Genozid-Witwen und -Opfer angehören, zeigt die unfassbare Stärke der Frauen, die alles verloren haben und das Land wiederaufbauen. Viele mussten mitansehen, wie ihre Kinder und ihre Ehemänner ermordet wurden, sie wurden brutal vergewaltigt und konnten lange nicht über ihr Schicksal sprechen. Ihre unfassbar schrecklichen Erlebnisse, die sie in den Gesprächen teilten, werden die Delegationsmitglieder sicherlich nicht mehr vergessen. „Wir haben die Völkermord Gedenkstätte Nyamata besichtigt. Eine Kirche, in der schutzsuchende Frauen und Kinder brutal niedergemetzelt wurden. Heute befinden sich hier die sterblichen Überreste von 45.000 Genozid-Opfern. Noch immer ist es eine große Aufgabe, die Namen aller Opfer zu recherchieren, denn oft wurden ganze Familien ausgelöscht. Keiner von ihnen soll vergessen sein.

Im Impinganzima Hostel, einem Altenheim für Genozid-Überlebende unweit der Gedenkstätte Nyamata, traf die Delegation von Ministerpräsidentin Malu Dreyer betagte und hilfsbedürftige „Intwaza“: Witwen und Witwer, deren Familien während des Genozides vollständig ausgelöscht wurden. Hier können sie das Unaussprechliche teilen und bekommen die Unterstützung, die ihnen ihre Familie nicht mehr geben kann. „Wer den Überlebenden zugehört hat, der weiß, wie stark und gleichzeitig wie verwundbar die Nation ist“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer zum Abschluss.

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