| Diskussionsveranstaltung

Quo Vadis Europa, quo Vadis Euro?

Zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema "Quo Vadis Europa, quo Vadis Euro?“ hatte der Chef der Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, am Donnerstag in die Staatskanzlei eingeladen. Als Referenten begrüßte er Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, und Dr. Carsten Kühl, Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz.
Tumpel-Gugerell; Bild: Sämmer
Gertrude Tumpel-Gugerell ist Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank.

Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell betonte die entscheidende Rolle der Europäischen Zentralbank seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise: "Die EZB hat in dieser Situation – seit die Stabilität des Euroraums insgesamt diskutiert wird - einen wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet und der Euro hat sich als Schutzschild bewährt. Ein Fakt, der in der öffentlichen Wahrnehmung etwas in Vergessenheit geraten ist. Ohne den Euro und die gemeinsame Geldpolitik wäre es im Europäischen Währungsgefüge im Zuge der Finanzkrise zu weitaus stärkeren Verwerfungen gekommen." Unter Hinweis auf den Erfolg der Zentralbank bei der Sicherung der Preisstabilität sagte das EZB-Direktoriumsmitglied  weiter: "Um das Vertrauen in den Euro über den Aspekt der Preisstabilität hinaus langfristig zu sichern, scheinen mir folgende Prioritäten in drei Politikbereichen von besonderer Bedeutung: 1. eine solide Fiskalpolitik;  2. eine auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und stärkere Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Wirtschaftspolitik und  3. eine umfassendere und gestärkte Finanzmarktregulierung und –aufsicht.“

In seinem Referat wies Finanzminister Dr. Carsten Kühl auf die verschiedenen zeitlichen Horizonte der Thematik hin: "Die Frage nach der Zukunft Europas erfordert eher eine mittel- bis langfristige Perspektive, die Frage nach der Zukunft des Euro verlangt schnelle Antworten“. Die Krise des Euro sei in erster Linie, so Kühl, eine europäische Staatsschuldenkrise. Dabei werde die Sorge um die Zahlungsfähigkeit einzelner Eurostaaten verstärkt durch das mangelnde Vertrauen in den Finanzsektor, der durch die Banken- und Finanzkrise noch immer erheblich geschwächt sei. Wegen der Vernetzung der Finanzmärkte untereinander gehe es nun zwangsläufig nicht mehr nur um die Refinanzierung einzelner Banken und Staaten, sondern um die Refinanzierung der Eurozone insgesamt.

Unter Hinweis auf die von deutscher Seite ausgesprochenen Garantien im Rahmen des Euro-Rettungsschirmes sagte Kühl: "Europa mag zwar von der deutschen Wirtschafts- und Finanzkraft abhängig sein, aber ein Kollaps der Gemeinschafts-währung und ein Zerbröseln der Währungsunion wäre das vorläufige Ende für die Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.“ Wichtig sei jetzt, die richtigen Bedingungen für den nach Auslaufen des Euro-Rettungsschirmes geplanten permanenten Krisenmechanismus zu definieren. Als Finanzminister eines Landes müsse er geradezu darauf bestehen, dass künftige Hilfsmaßmahnen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten eines Eurostaates mit einer begrenzten Schuldenrestrukturierung einhergingen. Eine solche Beteiligung der privaten Gläubiger an den Krisenkosten helfe nicht nur unmittelbar dem betroffenen Staat; sie setze vielmehr schon vor der Krise die richtigen Anreize und verhindere eine allzu laxe Kreditvergabe. "Ein solches Verfahren macht es letztlich auch deutlich weniger wahrscheinlich, dass die Garantien der anderen Eurostaaten in Anspruch genommen werden“, so der Minister.

Genauso wichtig wie die Pläne für den Krisenfall sei zudem eine Reform derjenigen Regeln und Verfahren, die das Eintreten einer Krise von vorneherein verhindern sollten. Die Europäische Kommission habe hierzu eine Reihe wichtiger Vorschläge gemacht: von einer umfassenden makroökonomischen Überwachung über eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts bis zu einer Ausweitung der haushaltspolitischen Vorgaben für alle Eurostaaten. "Diese Maßnahmen gehen in die richtige Richtung und bedeuten eine deutliche Verbesserung: Fehlentwicklungen werden künftig früher erkannt, früher benannt und können deshalb auch früher korrigiert werden“, ist sich Kühl sicher. Rheinland-Pfalz sei im Übrigen, was die Krisenprävention angehe, mit der seit kurzem in der Landesverfassung verankerten Schuldenbremse auf einem guten Weg. Und auch sonst erfülle das Land bereits heute die meisten der künftigen europäischen Anforderungen.

Der Finanzminister forderte abschließend, dass die europäischen Reformen durch eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte ergänzt werden. In diesem Zusammenhang begrüßte Kühl ausdrücklich die Schaffung des Europäischen Finanzaufsichtssystems, das neben Banken, Versicherungen und Börsen auch die systemischen Risiken überwachen soll. "Ich verspreche mir davon, dass Gefahren für unser Finanzsystem frühzeitiger erkannt und durch ein gemeinsames Handeln aller europäischen Institutionen besser bewertet und begrenzt werden können.“ Letzteres gelte im Übrigen nicht nur für den Finanzbereich: "Wir brauchen insgesamt eine deutlich bessere Koordinierung der nationalen Regierungen und Politiken, insbesondere in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um Europa stabiler und krisenresistenter zu machen“, so Kühl.

<media _blank>Zur Rede von Frau Dr. Tumpel-Gugerell</media>

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