Welchen Chancen und Herausforderungen begegnen Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt und wie können wir ihren Schutz sicherstellen? Was können wir gegen Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen im Netz tun? Und mit welchen Maßnahmen können wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen stärken? Diesen wichtigen Fragen widmete sich das zweite Spitzengespräch Sicherheit der Landesregierung mit Sicherheitsbehörden, Vertreterinnen und Vertretern der Schülerinnen und Schüler, der Jugendlichen und der Kommunalen Spitzenverbände. Jugendliche sind für Extremisten generell eine wichtige Zielgruppe. Die Polizei als auch die Verfassungsschutzbehörde in Rheinland-Pfalz beobachten seit geraumer Zeit mit Sorge, dass vor allem Rechtsextremisten wie auch Islamisten ihre Anstrengungen kontinuierlich intensiviert haben, um junge Menschen weltanschaulich-ideologisch zu beeinflussen, um sie schließlich zu rekrutieren und zu radikalisieren. Augenfällig ist, dass diese Aktivitäten vor allem auf Minderjährige abzielen, die zum Teil noch nicht strafmündig sind. Dabei haben die Extremisten vor allem junge Menschen im Blick, die in einem instabilen sozialen Umfeld leben und Halt und Orientierung suchen. Digitale Medien gehören für die meisten Kinder und Jugendlichen in Deutschland ganz selbstverständlich zum alltäglichen Leben. Extremisten machen sich das zunutze. Die Verbreitung extremistischer Ideologien über das Internet zur Kommunikation, zur Rekrutierung neuer Mitglieder, zur Verbreitung von Material, zur Agitation und zur Vernetzung hat deutlich zugenommen. Studien belegen dringenden Handlungsbedarf, denn Kinder nutzen digitale Angebote in immer jüngerem Alter und mit zunehmender Intensität (KIM-Studie 2024). Dabei setzt sich der Trend zur unbegleiteten Nutzung digitaler Geräte durch Kinder fort (KIM Studie 2024). Bei mehr als 25 Prozent aller 10- bis 17-Jährigen gibt es eine riskante oder pathologische Nutzung sozialer Medien: insgesamt sind rund 1,3 Millionen junge Menschen betroffen (DAK Suchtstudie 2025). Immer häufiger sind Kinder und Jugendliche mit problematischen Kontexten konfrontiert: 61 Prozent der Jugendlichen gaben für die JIM-Studie 2024 an, im letzten Monat mit Fake News konfrontiert worden zu sein. Fast jeder dritte befragte Jugendliche gibt in der Studie an, schon einmal im Internet sexuell belästigt worden zu sein.
„Das zeigt: klare Regeln und Maßnahmen sind nötig, die Teilhabe ermöglichen und Medienkompetenz fördern und zugleich Schutz bieten, damit Kinder und Jugendliche sicher in der digitalen Welt aufwachsen können. Für uns hat der Schutz von Kindern und Jugendlichen auch in einer immer stärker digitalisierten Welt hohe Priorität, deshalb haben wir das zweite Spitzengespräch Sicherheit diesem Thema gewidmet und machen im Kabinett den Weg frei für eine ressortübergreifende Landesmedienkompetenzstrategie. Damit werden bestehende Projekte und Programme aufeinander abgestimmt und neue entwickelt. Schulischer und außerschulischer Kontext werden dabei berücksichtigt sowie alle Altersgruppen und Menschen mit unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in den Blick genommen“, betonte Ministerpräsident Alexander Schweitzer.
„Ein wichtiges Element für die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen und auch von allen anderen Altersgruppen in der digitalen Welt ist die Medienkompetenz. Sie ist Schlüsselkompetenz und wesentliche Grundlage für eine selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Das heutige Sicherheitsgespräch hat gezeigt, dass wir in Rheinland-Pfalz bereits ein breites Spektrum an Angeboten und Initiativen haben, die die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Weg durch die digitale Welt begleiten und stützen können. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir noch mehr tun müssen, um den wachsenden Herausforderungen zu begegnen. Die Landesregierung hat daher heute den Startschuss für die Entwicklung einer ressortübergreifenden Strategie zur Medienkompetenz gegeben. Ziel ist es, allen Menschen in Rheinland-Pfalz selbstbestimmte und sichere Teilhabe an der digitalen Welt zu ermöglichen“, so der Ministerpräsident weiter.
Katharina Binz, Ministerin für Frauen, Familie, Kultur und Integration betonte: „Kinder und Jugendliche wachsen in einer digitalen Welt auf, die viele Chancen bietet, aber auch massive Gefahren birgt. Schon Kinder im Grundschulalter verbringen oft schon mehrere Stunden täglich an Bildschirmen, oft ohne ausreichenden Schutz vor Inhalten, Übergriffen oder Desinformationen. Altersfreigaben können ohne echte Hürden unterlaufen werden. Der Einfluss von Social Media-Plattformen auf Körperbild, Selbstwert, soziale Entwicklung und psychische Unversehrtheit nimmt zu. Jugendmedienschutz muss vor dem Hintergrund mehr leisten als nur Verbote. Wir wollen deswegen nicht nur regulieren, sondern vor allem befähigen. Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu selbstbestimmten, kritischen und respektvollen Nutzerinnen und Nutzern digitaler Räume zu machen und gleichzeitig funktionierende Schutzmechanismen zu schaffen.“
Justizminister Philipp Fernis erklärte: „Es ist mir ein zentrales Anliegen, dass Kinder und Jugendliche im digitalen Raum wirksam vor Straftaten geschützt werden. Die Justiz trägt dazu mit konsequenter Strafverfolgung einen wichtigen Teil bei. Ich danke Staatsanwaltschaften und Polizei für ihre enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie ermöglichen eine effektive Strafverfolgung wie beispielsweise im landesweiten Expertenkreis Kinderpornografie. Hier werden von Vertreterinnen und Vertretern der Staatsanwaltschaften und Polizei gemeinsam Bearbeitungsstandards im Bereich kinder- und jugendpornografischer Delikte erarbeitet und fortlaufend weiterentwickelt. Gehen Straftaten von Jugendlichen oder Heranwachsenden aus, setzt die Justiz auch auf Prävention. Mit passenden erzieherischen Maßnahmen können Jugendgerichte positiv auf junge Täterinnen beziehungsweise Täter einwirken und erreichen, dass diese sich mit den Auswirkungen der Taten befassen müssen. Als erzieherische Maßnahme steht den Gerichten hierfür zum Beispiel das vom Pfälzischen Verein für Soziale Rechtspflege Vorderpfalz e. V. angebotene Konzept „Denken! Dann klicken.“ zur Verfügung, bei dem in Einzelgesprächen mit den jungen Menschen unter anderem die Themen Mediennutzung, Empathie, Selbstbestimmung und Konfliktfähigkeit bearbeitet werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Straftaten im digitalen Raum ist eine ressortübergreifende Aufgabe, welche nur gemeinsam mit allen zuständigen Akteuren bewältigt werden kann. Die Justiz wird auch künftig ihren Beitrag dazu leisten."
Innenminister Michael Ebling sagte: „Die Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen im Netz ist eine der großen Gefahren unserer Zeit. Denn die extremistische Szene ist seit Jahren fester Bestandteil der digitalen Welt und Extremisten nutzen soziale Medien, Gaming-Plattformen, aber auch Podcasts und andere Content-Formate, um gezielt das Vertrauen junger Menschen zu gewinnen und so ihre Botschaften von Gewalt, Hass und Terror in die Welt der Kinder und Jugendlichen zu tragen. Aber auch andere Straftaten, insbesondere im Bereich der Sexualdelikte, werden häufig im Netz begangen oder angebahnt. Es ist unsere Pflicht, unsere vulnerable Gruppe der Minderjährigen zu sensibilisieren und vor Übergriffen zu schützen – auch und insbesondere im digitalen Raum. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum ist ein zentrales Anliegen unserer rheinland‑pfälzischen Polizei und wird an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz in unterschiedlichen Ausbildungs- und Fortbildungsformaten berücksichtigt. Ich begrüße unsere gemeinsame Entwicklung einer Medienkompetenzstrategie, die mit Unterstützung der Leitstelle Kriminalprävention erarbeitet wird, sehr. Die Leitstelle bietet darüber hinaus ein breites Spektrum an Präventionsprojekten an, die mit dem Ziel der Stärkung der Persönlichkeit und der sozialen Kompetenz im Land vertreten sind.“
Bildungsminister Sven Teuber hob hervor: „Wir wollen unseren Schulen Orientierung geben, damit sie vor Ort gemeinsam und demokratisch herausfinden können, wie sie die Handy-, Tablet- und Smartwatchnutzung in ihrer Schule gestalten wollen. Das tun wir mit einem neuen Orientierungsrahmen, den die Schulen vorliegen haben. Mit diesem Schuljahr sind wir für einen weiteren Ausbau der Medienbildung unter anderem durch Informatik als Pflichtfach gestartet. Auch die Demokratiebildung wird dadurch gestärkt. Dem würden pauschale Handyverbote aus Mainz für alle Schulen zuwiderlaufen. Auch weil junge Menschen im Internet Sachen sehen und erleben, über die sie mit Vertrauenspersonen sprechen können müssen. Unsere Schulen sollen dieser Raum sein, dem sie vertrauen und sich bei Bedarf Hilfe holen können. Das macht alle resilienter, reflektierter und stärkt den Schutzraum Schule.“
Für den Landesjugendbeirat RLP erklärten Rümeysa Onay und Magnus Tjiang: „Kinder und Jugendliche brauchen von Anfang an Aufklärung und Begleitung im digitalen Raum, am besten fest verankert im Unterricht durch Konzepte, Workshops oder Projekte. Wichtig sind sichere Räume und Anlaufstellen, in denen sie offen über Erfahrungen und Ängste sprechen können, ohne Druck oder Strafen befürchten zu müssen. Dafür braucht es vor allem pädagogische Unterstützung – auch durch Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Jugendzentren."
Stefan Glaser, Leiter von Jugendschutz.net hob hervor: „Kinder und Jugendliche sind im Netz vielen Gefahren ausgesetzt, beispielsweise durch politischen Extremismus und sexualisierte Gewalt. Digitale Räume sind gleichzeitig Bestandteil ihrer Lebenswelt. Sie eröffnen Zugang zu Information und einen Erfahrungsraum für Beteiligung, sozialen Austausch und altersgemäße Kontakte. Um ein gutes und sicheres Aufwachsen im Internet zu ermöglichen, sind vor allem die Diensteanbieter gefragt: Sie müssen Sorge tragen, dass Kinder und Jugendliche Angebote gefahrlos nutzen können. Wichtigster Baustein eines Schutzkonzepts ist die zuverlässige Altersprüfung.”
Maximilian Glätzner, Mitglied des Vorstands der Landesschüler*innenvertretung, und Aaron Künstler, Mitglied des erweiterten Vorstands betonten: „Um ein gutes Umfeld im digitalen Raum mit Chancen der Weiterentwicklung für Kinder und Jugendliche zu schaffen, muss eine Sensibilisierung des Themas und eine Weiterbildung der Medienkompetenz vorerst bei den Personen geschehen, welche die Funktion der Erziehung und Lehrperson haben, also bei Lehrer*Innen und Eltern. Die Medienkompetenz ist dabei als Querschnittsaufgabe zu verstehen. Die Etablierung eines eigenen Faches erachten wir nicht als sinnvoll. Stattdessen bedarf es einer fächerübergreifenden Integration neuer Medien in den Unterricht. Es gilt also, Kinder und Jugendliche durch Prävention auf den digitalen Raum vorzubereiten und ihnen dessen Potenziale aufzuzeigen.“
Der Direktor der Medienanstalt RLP, Dr. Marc Jan Eumann betonte: „Kinder haben das Recht auf mediale Teilhabe - ohne verstörende Inhalte. Die Anbieter müssen mehr Verantwortung übernehmen.“
Oberbürgermeister Markus Zwick, Vorsitzender des Städtetages Rheinland-Pfalz für die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände sagte: „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Fachkräfte der Jugendarbeit in unseren Jugendämtern erleben täglich, welche Chancen, aber auch welche Gefahren mit der digitalen Welt verbunden sind. Die Gefährdung beginnt schon bei Umgehung von Altersbeschränkungen und reicht über exzessive Mediennutzung bis hin zu Mobbing in sozialen Netzwerken. Für uns Kommunen steht im Mittelpunkt, dass junge Menschen sicher und gesund aufwachsen können. Dies gilt auch für den Umgang mit digitalen Medien, der von den Eltern und Schulen eng begleitet werden muss. Vielfach wissen Eltern nicht um die Gefahren der digitalen Medien. Daher brauchen wir gut zugängliche Informations- und Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche, Eltern und Schulen, was nur mit einer starken Zusammenarbeit von Land, Kommunen und freien Trägern und verlässlichen Strukturen vor Ort gut gelingen kann. Ein wirksamer Kinder- und Jugendschutz im digitalen Raum gelingt nur dann, wenn Aufklärung und Unterstützung der Kinder, Jugendlichen und ihres Umfelds erfolgreich umgesetzt werden.“

