| Europa/Streikrecht

EU zieht umstrittene Streikrechtsverordnung zurück

Ministerpräsident Kurt Beck und Arbeitsministerin Malu Dreyer begrüßen ausdrücklich die Entscheidung der Europäischen Kommission, ihren im März vorgelegten Verordnungsentwurf zur Ausübung des Streikrechts im europäischen Binnenmarkt zurückzuziehen.
Schild an einem bestreikten Betrieb; Bild: dpa
Schild an einem bestreikten Betrieb; Bild: dpa


„Es ist ermutigend, dass die Kommission Vernunft bewiesen und in der einzig richtigen Weise auf die breite und harsche Kritik reagiert hat“, so die beiden Politiker in Mainz. Der Vorschlag sollte den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Unternehmen in andere europäische Länder zur Arbeit entsandt werden, stärken, nachdem dieser Schutz durch Urteile des europäischen Gerichtshofs zur Entsendepraxis und zum Streikrecht ins Wanken geraten war. Allerdings wurde das unter anderem angestrebte Ziel, einer Aushöhlung des Streikrechts und Sozialdumping entgegenzuwirken, deutlich verfehlt. Dem Verordnungsentwurf war daher von immerhin zwölf nationalen Parlamenten die „gelbe Karte“ in Form einer sogenannten Subsidiaritätsrüge gezeigt worden. Diese Rüge ist die schärfste Waffe, die seit ihrem Bestehen das erste Mal angewandt wurde, um der Kommission zu verdeutlichen, dass sie ihre Kompetenzen überschritten hat.

„In Zeiten, in denen das Vertrauen in die europäische Politik harten Bewährungsproben ausgesetzt ist, muss die Kommission die Bedürfnisse der Menschen im Blick behalten“, so Beck und Dreyer. Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der EU warten nun ungeduldig darauf, dass die Kommission adäquat für die Durchsetzung ihrer Rechte sorgt.

Der Ministerpräsident und die Ministerin schließen sich dieser Forderung an die Kommission an, sobald wie möglich einen neuen Vorschlag vorzulegen, der die Wahrung des Streikrechts als wichtige und wesentliche sozialpolitische Errungenschaft garantiert. Auch betonten Beck und Dreyer, dass die sozialen Grundrechte nicht den reinen Wirtschaftsinteressen des Binnenmarktes untergeordnet werden dürften.


Hintergrund:
Die aus dem Jahr 1996 stammende EU Entsenderichtlinie soll für die arbeitsrechtliche Gleichstellung der in einen anderen EU-Staat entsandten Arbeitskräfte sorgen. Jährlich entsenden Unternehmen rund eine Million Beschäftigte innerhalb der EU. Das entspricht 0,4 Prozent der EU-Erwerbstätigen.

Bei der Umsetzung der Richtlinie gab und gibt es aber immer wieder Probleme. Vor allem weil die Schutzfunktion der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Umsetzung nicht wie gedacht realisiert werden kann, weshalb der europäische Gerichtshof schon mehrfach zu einer Klärung angerufen wurde. Bei seinen Urteilen aus dem Jahr 2007 (Laval, Viking) hatte der Gerichtshof den Freiheiten des Binnenmarktes mehr Gewicht eingeräumt als den sozialen Grundrechten und damit große Kritik auf sich gezogen, da er die Fälle nicht im Sinn des Gesetzgebers ausgelegt hätte.

EU-Kommissionspräsident Barroso hatte 2009 dem Europaparlament bei seiner Wiederwahl versprochen, einen Vorschlag vorzulegen, der die Rechte entsandter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und das Streikrecht in der EU sichert und damit die rechtliche Lücke, die der EUGH aufgerissen hat, zu schließen. Der nun zurückgezogene Vorschlag hätte aber die Unterminierung des Streikrechts manifestiert. Anstatt das in der Grundrechtecharta und vielen nationalen Verfassungen verbriefte Streikrecht zu garantieren, sollte geprüft werden, ob Streik nicht etwa die Dienstleistungsfreiheit einschränken könnte.

 

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