| Auswärtige Kabinettssitzung in Brüssel

Guter Austausch in Brüssel: EU-Politik muss Wettbewerbsfähigkeit unseres Industrie- und Agrarsektors eng in den Blick nehmen

„Europapolitik ist für die Landespolitik von großer Bedeutung. Rheinland-Pfalz hat sich seit Jahren massiv für mehr Unterstützung der EU beim Umbau der Industrie hin zur Klimaneutralität eingesetzt, um die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie im globalen Wettbewerb zu stärken“, sagte Ministerpräsident Alexander Schweitzer nach der auswärtigen Kabinettssitzung in Brüssel.
Der rheinland-pfälzische Ministerrat in Brüssel.
Der rheinland-pfälzische Ministerrat tagt in Brüssel, um sich mit Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Institutionen auszutauschen.
Ministerpräsident Alexander Schweitzer und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen
Ministerpräsident Alexander Schweitzer hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Rande des Ministerrats in Brüssel getroffen.

„Mit dem Clean Industrial Deal verspricht die neue Kommission jetzt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen“, so der Ministerpräsident weiter. Nur wenige Tage nach der Bestätigung der neuen EU Kommission tauschte sich Ministerpräsident Alexander Schweitzer zudem in einem persönlichen Gespräch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über wichtige Gesetzgebungsvorhaben und Projekte für Rheinland-Pfalz aus. „Uns ist es wichtig, zu Beginn der Legislaturperiode der EU-Kommission die bisher gute Zusammenarbeit zu bestärken und den Blick für die zentralen Themen zu schärfen. Wir befürworten als starker wirtschaftlicher Standort in Europa die wirtschaftliche Ausrichtung der Kommissionspolitik. Gleichzeitig werben wir für eine direkte Teilhabe der Regionen sowie eine klimaneutrale und sozialverträgliche Umsetzung. Als Vorsitzland der Rundfunkkommission ist uns auch die künftige Plattformregulierung und die Bekämpfung von Desinformation und Propaganda ein wichtiges Anliegen. Dies kann uns nur gemeinsam in Europa gelingen.“

Traditionell tagt die Landesregierung Rheinland-Pfalz einmal jährlich in Brüssel, um sich nach der Kabinettssitzung mit Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Institutionen auszutauschen. In diesem Jahr standen Gespräche mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, der Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank, Nicola Beer, dem ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union, Michael Clauß und dem Brigadegeneral der NATO, Marcus Ellermann, auf der Tagesordnung. Im Anschluss fand ein Gedankenaustausch zwischen Ministerpräsident Alexander Schweitzer und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, statt. Die übergeordneten Themen waren die Neukonstituierung der Europäischen Kommission mit besonderer Bedeutung für Rheinland-Pfalz, die EU-Wettbewerbspolitik und die Verteidigungspolitik. 

Mitbestimmung der Regionen in der Kohäsions- und Agrarpolitik ist unerlässlich

Schwerpunkt der Gespräche zur Neukonstituierung der Europäischen Kommission mit Katarina Barley und Michael Clauß waren die Pläne zur Reform der Kohäsions- und Agrarpolitik. „Die Kohäsions- und Agrarpolitik ist die wichtigste regionale Investitionspolitik der EU. Sie stärkt den wirtschaftlichen, sozialen und regionalen Zusammenhalt. Die Mitsprache der europäischen Regionen hat sich bewährt, da die Fördermittel ohne nationale Umwege direkt in den Regionen ankommen und ihre Wirkung entfalten können. Hierfür ist es auch unerlässlich, dass die Regionen eine mehrjährige Planungssicherheit haben“, so Ministerpräsident Alexander Schweitzer. 

Die Landesregierung reagiert damit auf vorausgegangene Berichterstattungen, die eine reformierte Fördermittelvergabe über je einen nationalen Plan pro Mitgliedsstaat vorsehen und mit nationalen Vorgaben verknüpft. Diese Überlegungen stehen in einem Widerspruch zur bisher bewährten dezentralen orts- und regionsbezogenen EU-Regional- und Strukturpolitik. Sollte die Auszahlung der Fördermittel über je einen nationalen Plan pro Mitgliedsstaat erfolgen, würde es erschwert werden, Ungleichgewichte der europäischen Regionen unmittelbar abzubauen. Das rheinland-pfälzische Kabinett setzt sich deshalb weiter dafür ein, dass die Förderbeziehung weiterhin unmittelbar zwischen Region und Brüssel stattfindet. Europa ist ohne das ‚Europa der Regionen‘ undenkbar. Das Land Rheinland-Pfalz hat am 20. November 2024 zusammen mit dem Bund und den Ländern eine gemeinsame Bund-Länder-Stellungnahme verabschiedet und sich an zwei weiteren Initiativen europäischer Regionen beteiligt, die sich für den Erhalt der bisherigen Kohäsionspolitik einsetzen.

Green Deal als Antwort auf multiple Krisen umsetzen

„In der vergangenen Legislaturperiode hat die Europäische Union mit dem Green Deal zentrale Antworten auf die Klimakrise und das Artensterben gegeben. Bis zum Schluss wurden in zahlreichen Regelungen, beispielsweise dem EU-Restoration Law, die Ziele des Green Deals in konkrete Regelungen übersetzt. Diesen Pfad gilt es nun auch in den nächsten Jahren konsequent weiterzugehen und den Green Deal fortzuentwickeln. Dabei kommt es auch auf einen ambitionierten und konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien an, denn aktuell steuern wir auf eine Erderwärmung von 2,6 °C zu. Von welchen Auswirkungen Europa bereits jetzt betroffen ist, zeigen die Hochwasser allein dieses Jahr“, erklärte Klimaschutzministerin Katrin Eder.

Man dürfe angesichts dieser Zerstörungskraft im Engagement gegen den Klimawandel daher nicht nachlassen. „Insbesondere der von der Europäischen Kommission vorgesehene „Deal für eine saubere Industrie“ kann die klimaneutrale Transformation unserer Wirtschaft forcieren und so einen wichtigen Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität der EU beitragen. Auch wenn die Klimakrise und das Artensterben vor allem durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und dessen Folgen aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind: Die derzeit von den Vereinten Nationen prognostizierte Erderwärmung von mehr als 2,6 °C bis zum Ende des Jahrhunderts hätte drastische Folgen, insbesondere für Rheinland-Pfalz, die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer aber auch unsere Unternehmen. Die Kommission ist daher gefordert, den eingeschlagenen Weg des Green Deals konsequent weiterzuverfolgen“, hob Klimaschutzministerin Eder hervor.

„Wir brauchen mutige Schritte hin zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen“

Nach der Vorlage des Green Deals in der letzten Legislaturperiode setzt die EU-Kommission nun einen Schwerpunkt auf die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas mit einem gleichzeitigen Übergang zur Klimaneutralität. Umgesetzt werden soll dieses Vorhaben mit dem Clean Industrial Deal, der die Industrie beim Umbau auf klimaneutrale Produktion unterstützen soll. Dies bedeutet, dass Prozesse und Handlungen, die CO2 freisetzten, zukünftig durch Prozesse abgelöst werden, bei denen eine Freisetzung unterbleibt oder kompensiert wird. 

„Wir brauchen nun mutige Schritte, um international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für unsere Industrie in Europa zu schaffen. Die Bereitstellung von Fördermitteln für ausgewählte Branchen und Technologien kann in Einzelfällen hilfreich sein, schafft aber letztlich nicht die dringend erforderliche Verbesserung der Rahmenbedingungen“, sagte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. Gerade für Rheinland-Pfalz mit seinen energieintensiven Unternehmen sei das von ganz besonderer Bedeutung. „Insbesondere mit Blick auf die USA und China müssen wir den Unternehmen in Europa ein Umfeld anbieten, in dem diese sich wettbewerbsfähig aufstellen und in Innovationen investieren können“, so die Ministerin.

Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt hatte bereits im Sommer 2024 die „Rheinland-pfälzische Erklärung der energieintensiven Industrien“ mit einem entsprechenden Maßnahmenpaket vorgelegt, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Industrien in Deutschland zu sichern. Dies Maßnahmen wird die Ministerin gegenüber der neu gewählten Kommission im kommenden Jahr entsprechend in Brüssel adressieren. 

„Ziel muss es sein, die Transformation der Industrieunternehmen am Standort erfolgreich mit diesen zusammen zu meistern. Gerade unter den Gesichtspunkten des Klimaschutzes muss die Transformation der Industrie am Standort gelingen, denn es sind die Industrieunternehmen, die technischen Lösungen für mehr Effizienz, neue Verfahren und damit für mehr Klimaschutz bereitstellen. Entscheidend für eine erfolgreiche Transformation ist, dass die Unternehmen über hinreichend Kapital verfügen, um in Innovationen investieren zu können und so die Transformation erfolgreich gestalten und umsetzten zu können. Ohne eine starke und international wettbewerbsfähige Wirtschaft ist Klimaschutz nicht möglich“, betonte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. 

Genauso gelte es, die europäische Landwirtschaft zu stärken, so die Wirtschaftsministerin. „Die Land- und Weinwirtschaft ist in Deutschland und insbesondere Rheinland-Pfalz ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und prägend für unsere Identität und unsere Kulturlandschaften. Es ist wichtig, dass unsere Betriebe auch zukünftig gute landwirtschaftliche Produkte in Europa erzeugen können und wir unabhängig von Importen bleiben. Auch im Sinne des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit ist eine starke europäische Agrarpolitik zur Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe und der Weinwirtschaft von besonderer Relevanz.“

EU und Land gemeinsam für faire Arbeitsbedingungen Sozialschutz am Arbeitsplatz 

„Die Landesregierung steht an der Seite der Kommission bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR). Die Auswirkungen der COVID-19- Pandemie und des russischen Angriffskrieges haben in Europa soziale Unterschiede verstärkt. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir das Vorhaben der Europäischen Kommission die ESSR weiter voranzubringen und so die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzufangen“, sagte Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Der ESSR war Gegenstand der Diskussionen mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. 

Ziel des ESSR ist ein koordiniertes Vorgehen aller EU-Mitgliedsstaaten im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Es trägt dazu bei, dass Ungleichheiten innerhalb der EU reduziert und die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger verbessert werden. Die insgesamt 20 Grundsätze der ESSR umfassen die Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen und angemessener und nachhaltiger Sozialschutz. Der Aktionsplan von 2021 sieht bis 2030 das Erwerbstätigkeitsziel von 78 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 20 bis 64 Jahren und das Weiterbildungsziel von jährlich mindestens 60 Prozent der Erwachsenen vor. Zudem soll die Anzahl von sozialer Ausgrenzung bedrohter Menschen um mindestens 15 Millionen verringert werden, darunter mindestens 5 Millionen Kinder. Zur Erreichung der europaweiten Ziele haben alle Mitgliedsstaaten nationale Ziele formuliert und in ihre Sozialpolitik einfließen lassen. Der neue Aktionsplan der EU-Kommission setzt nun neue Impulse und nimmt sich der Auswirkung der Digitalisierung auf der Arbeitswelt und ein Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze vor. Geplant ist etwa ein Recht auf Nichterreichbarkeit zum Schutz der psychischen Gesundheit und bessere tarifliche Abdeckungen für faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen und Schulungen. Die EU-Kommission plant zudem eine EU-Strategie zur Bekämpfung von Armut, die Menschen beim Zugang zu wesentlichen Schutz- und Dienstleitungen unterstützen soll. 

„Wir sehen die Weiterentwicklung des ESSR als ein wichtiges Zeichen, dass in den wettbewerbsorientierten Ansätzen die soziale Verträglichkeit zu jeder Zeit mitgedacht wird. Es freut uns, dass sozialpolitische Themen, die wir in Rheinland-Pfalz engagiert verfolgen, jetzt auch auf europäischer Ebene konkretisiert werden und sich die Kommission zum regionalen Ansatz des Europäischen Sozialfonds Plus bekennt.“, sagte Ministerpräsident Alexander Schweitzer.

Die konkreten Maßnahmenvorschläge des ESSR-Aktionsplans umfassen unter anderem die Unterstützung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der digitalen und sozial-ökologischen Transformation, die Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung sowie die Stärkung des sozialen Dialogs. Der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+) fördert Beschäftigungsprojekte auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene und berücksichtigen darüber hinaus die Besonderheiten des Arbeitsmarktes in der Region. Durch den ESF+ konnte in der aktuellen Förderperiode 2021 bis 2027 die berufliche Perspektive von mehr als 82.000 Bürgerinnen und Bürgern im Land Rheinland-Pfalz verbessert werden. 

Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) für mehr Ordnung in der Migration

Gegenstand des Gedankenaustauschs mit dem ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Europa, Michael Clauß, war unter anderem die aktuelle europäische Migrations- und Asylpolitik mit besonderen Bezug auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Das GEAS beinhaltet verlässliche Kontrollen an der EU-Außengrenze, damit innerhalb Europas die Grenzen offenbleiben und die Schutzsuchenden in der Europäischen Union fair verteilt werden. Das GEAS kann aus Sicht der Landesregierung ein Schlüssel sein, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen, humanitäre Standards zu schützen und die irreguläre Migration zu begrenzen. Gleichzeitig müssen bei einer Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems die notwendigen Anpassungen des nationalen Rechts bedacht und rechtzeitig angegangen werden, damit in der Verwaltungspraxis bei Bund, Ländern und in den Kommunen frühzeitig Klarheit und Rechtssicherheit herrscht. 

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