Im Handelsministerium traf Bundesratspräsidentin Malu Dreyer Staatssekretärin Pamela Goldsmith-Jones. Goldsmith-Jones zeigte sich besorgt, ob das Handelsabkommen mit Kanada, Ceta, durch die neuen politischen Verhältnisse in Deutschland gefährdet sei. Ceta ist seit dem 21. September vorläufig in Kraft. 99 Prozent aller Zölle im Warenhandel fallen damit weg. Es muss aber noch von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden. „Ceta sichert die sozialen und ökonomischen Standards“, betonte Bundesratspräsidentin Malu Dreyer.
Wichtiges Thema in diesem Gespräch war auch die künftige deutsche Außenpolitik nach dem Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Bundestag. Die Handelsministerin betonte die Bedeutung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland: “Sie sind für uns wichtige Partner und Freunde. Bei uns in Kanada haben 10 Prozent der Einwohner deutsche Wurzeln“, so Goldsmith-Jones.
Bei einem Gespräch mit dem Minister für Einwanderung, Flüchtlinge und Staatsbürgerschaft, Ahmed Hussen, stand die Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt. Kanada hat ein sehr fortschrittliches Einwanderungsgesetz und legt einen Schwerpunkt auf die Integration der "Neubürger". Die Regierung investiert massiv in Sprachkurse und Integration auf dem Arbeitsmarkt. Außergewöhnlich erfolgreich, so Minister Ahmed Hussen, seien auch Programme, die kanadische Familien unterstützten, die Migranten betreuten: „Diese Willkommenskultur macht es möglich, dass sich die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, sehr schnell integrieren“. Der Minister selbst ist als 16jähriger aus Somalia nach Kanada geflüchtet und ist lebendes Beispiel für gelungene Integration.
In Kanada werden auch Asylsuchende, die noch keinen Bescheid haben, in Sprachkursen und Arbeitsmaßnahmen geschult. „So wird vermieden, dass Flüchtlinge monatelang ohne Beschäftigung in Flüchtlingsheimen bleiben. Das sollten wir auch für Deutschland prüfen“, forderte Bundesratspräsidentin Malu Dreyer.
Im Gespräch mit der Ministerin für den Status der Frau, Marya Monsef, thematisierte die Bundesratspräsidentin den Kampf für Lohngleichheit von Männern und Frauen.
Der zweite Tag in Ottawa stand im Zeichen von Parlament und Senat. Parlamentspräsident Geoffrey Regan interessierte sich insbesondere für den Wahlausgang und die Gründe für den Zuwachs rechtspopulistischer Kräfte in Deutschland. Einig war sich Bundesratspräsidentin Malu Dreyer auch mit Senatspräsident George Furey über die Bedeutung der deutsch-kanadischen Beziehungen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Reise war der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Rheinland-Pfalz. In Toronto besuchte die Bundesratspräsidentin die Firma Ubisoft. Das internationale Unternehmen, zu dem auch der Mainzer Spieleentwickler Blue Byte gehört, ist weltweit einer der Marktführer in der Gaming Industry. Die Geschäftsführer des Mainzer Unternehmens begleiteten Bundesratspräsidentin Malu Dreyer nach Toronto. Sie erhoffen sich von dem Besuch der Bundesrats- und Ministerpräsidentin einen Impuls für die Branche. „Digitale Spiele sind Innovationstreiber und Kulturgut“, sagte Thomas Pottkämper, Studioleiter von Ubisoft Blue Byte in Mainz: „Die kanadische Metropole dient, wie auch Montreal, als Blaupause für einen nachhaltig ausgestatteten Produktionsstandort in der Videospielindustrie. Die Dimension der personalintensiven kanadischen Entwicklungsstudios macht das Potential für Arbeitsplätze deutlich. Wir hoffen, dass die gewonnenen Eindrücke zu Entscheidungen vor Ort führen, um die Branche bei uns zu stärken und Talenten aus Rheinland-Pfalz eine positive Zukunft zu geben. Für neue Unternehmensgründungen und mehr Arbeitsplätze in der Produktion von Games.“
Kanada hat in Toronto ein Cluster für die Videospielindustrie geschaffen mit Lohnzuschüssen, Ausbau der Infrastruktur und Steuererleichterungen. „Wir müssen für Rheinland-Pfalz prüfen, was die richtigen Anreize bei uns sein könnten", so Bundesratspräsidentin Malu Dreyer. In Deutschland ist der Förderanteil für die Games-Branche mit 2,6 Prozent gering. Die Provinz Ontario, in der Toronto liegt, hat einen Förderanteil von 32 Prozent.
„Wir nehmen die Gaming Branche sehr ernst. Wir sind in Rheinland-Pfalz einer der größten Ausbilder in Deutschland. Mit dem Studiengang Intermedia Design in Trier und der profilierten Professorin Linda Breitlauch haben wir großes Potential. Natürlich wollen wir Arbeitsplätze für die Studienabgänger bei uns schaffen, damit wir sie nicht an die großen Unternehmen wie Ubisoft in Kanada verlieren. Konkret überlegen wir, einen Gaming Hub in Rheinland-Pfalz einzurichten“, erklärte Bundesratspräsidentin Malu Dreyer bei ihrem Besuch. Prof. Linda Breitlauch, die die Delegation begleitet hat, ergänzte: „Der Videospielmarkt ist schon heute größer als die Filmindustrie. Die Mitarbeiter müssen hoch qualifiziert sein, deswegen rekrutieren die großen Studios ihre Entwickler weltweit. Um unsere Entwickler nicht zu verlieren, wäre ein Gaming Hub sehr wichtig.“ Bislang würden Spiele überwiegend dem Unterhaltungsmarkt zugeordnet, so Breitlauch, aber auch in den Branchen Medizin, Architektur, Maschinenbau, Automobil und Chemie würden die Gaming Technologien bereits jetzt erfolgreich angewendet.“
In Toronto traf Bundesratspräsidentin Malu Dreyer auch die Vizegouverneurin der Provinz Ontario, Elizabeth Dowdeswell. Dowdeswell hat als Vertreterin der Krone einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf gelegt, alle Regionen ihrer Provinz zu besuchen und mit möglichst vielen Menschen zu sprechen, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. „Mir sind als Ministerpräsidentin die Regionenbesuche ebenfalls sehr wichtig. Die Erfahrungen der Vizegouverneurin waren für mich wertvolle Impulse“, sagte Bundesratspräsidentin Malu Dreyer nach dem Gespräch.
Zum Abschluss ihres Besuchs in Kanada tauschte sich die Bundesratspräsidentin mit der Ministerpräsidentin der Provinz Ontario, Kathleen Wynne, aus. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs standen die medizinische Versorgung im ländlichen Raum und die Bedeutung der Bildungspolitik. Großes Interesse hatte die Kanadierin an den Erfahrungen mit intergenerativen Wohnformen in Deutschland.
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