„Wir erleben gerade den größten Zuzug von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben eine große Aufgabe zu bewältigen. Es ist eine schwierige Aufgabe und es wird auch Enttäuschungen geben und für manches werden wir mehrere Anläufe brauchen. Aber ich bin überzeugt: Wir meistern diese Aufgabe. Wir handeln mit Herz und Verstand. Wir packen, wie die Menschen in unserem Land, mutig an“, sagte die Ministerpräsidentin.
Allein in Rheinland-Pfalz seien seit Beginn dieses Jahres fast 22.000 Menschen neu angekommen. Rheinland-Pfalz habe deshalb innerhalb kürzester Zeit die Kapazitäten zur Erstaufnahme vervielfacht, 700 Plätze gab es im Jahr 2012, aktuell bringe die Landesregierung knapp 8.000 Menschen in der Erstaufnahme unter, bis zum Jahresende könnten es bis zu 15.000 Menschen sein. „Jetzt und heute ist sicher die menschenwürdige Aufnahme unsere drängendste Herausforderung. Ich denke weiter: Über Sprache lernen, über Anpacken dürfen, über Heimat finden für die, die bleiben dürfen – mitten unter uns Rheinland-Pfälzern und Rheinland-Pfälzerinnen“, betonte die Ministerpräsidentin.
Um die Herausforderungen zu meistern, habe die Beschleunigung der Asylverfahren Priorität. „Morgen treffen wir uns erneut in Berlin. Ich erwarte endlich konkrete Ergebnisse und Zusagen, die auch schnell umgesetzt werden können.“ Die Bundesregierung müsse sich fair, dauerhaft und dynamisch an den Kosten beteiligen. „Die Landesregierung macht sich für eine Pauschale pro Flüchtling stark. Die bisher angebotene pauschale Summe von drei Milliarden Euro ist unzureichend und zeigt eine falsche Herangehensweise. Kommen mehr Flüchtlinge, muss der Bund auch mehr bezahlen“, so die Ministerpräsidentin. Gleichzeitig gelte es, einen nationalen Integrationspakt zu etablieren, in dem Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenkommen. Rheinland-Pfalz gehe mit dem „Pakt für Rheinland-Pfalz“ mit gutem Beispiel voran.
„Der Schlüssel zur Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache“, sagte die Ministerpräsidentin. Rheinland-Pfalz habe deshalb in diesem Schuljahr die Zahl der Deutsch-Intensivkurse um 84 auf insgesamt 235 aufgestockt. Erwachsene Flüchtlinge erhielten erste Deutschkurse bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Zudem stünden ihnen Kurse der Volkshochschulen offen. „Auf Bundesebene wird sich die Landesregierung insbesondere für die Öffnung der Integrations- und Sprachkurse einsetzen.“ Ziel sei zudem ein fünfjähriges Bleiberecht für Flüchtlinge in Ausbildung, um Betrieben die nötige Planungssicherheit zu geben.
„Die Landesregierung hilft schon seit Jahresbeginn Flüchtlingen gezielt bei der Suche nach Arbeit und Ausbildung. Jetzt werden wir unsere Aktivitäten nochmal erweitern“, sagte die Ministerpräsidentin. Am Ovalen Tisch habe sich die Landesregierung mit den Partnern von Gewerkschaften, Unternehmerverbänden, Kammern und der Bundesagentur für Arbeit auf einen umfangreichen Aktionsplan verständigt. So stellten unter anderem die Handwerkskammern bis zu 400 Praktikums- und Ausbildungsplätze zur Verfügung, die Landesregierung werde bis zu 200 Praktikumsplätze und Ausbildungsplätze für junge Flüchtlinge bereitstellen. Zudem sei es notwendig, verstärkt die Wohnpolitik in den Blick zu nehmen: „Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau und mehr Wohnraum mit bezahlbaren Mieten – für alle Menschen in unserem Land! Ich begrüße, dass Bundesbauministerin Barbara Hendricks sich für ein Wohnungsbauprogramm des Bundes mit 350.000 Wohnungen in den nächsten Jahren ausgesprochen hat“, betonte die Ministerpräsidentin.
Die Sorgen und Fragen der Menschen in Rheinland-Pfalz zum Thema Flüchtlinge nehme die Regierung ernst und deshalb sei es wichtig, den Menschen zu versichern: „Keiner wird weniger haben, weil wir Menschen in Not helfen.“ Die Landesregierung unterstütze bei Arbeit, Wohnen und Bildung alle, die es schwer haben, gezielt und in großer Solidarität. Zugleich gelte „null Toleranz“ gegenüber denjenigen, die Hass schürten.
„Die von mir genannten Maßnahmen zur Integration richten sich an die vielen Flüchtlinge, die aus Bürgerkriegsgebieten zu uns kommen und von denen aller Voraussicht nach viele dauerhaft bei uns bleiben werden“, so die Ministerpräsidentin. „Wenn jemand kein Recht hat, bei uns zu bleiben, muss der Aufenthalt zügig beendet werden, möglichst freiwillig, ansonsten zwangsweise.“ Das Land betreibe Rückkehrberatung bereits aus der Erstaufnahme heraus, noch bevor das Asylverfahren abgeschlossen wurde. Der Bund habe dem Land bescheinigt, dass diese Arbeit vom Land „vorbildlich organisiert“ werde. 2.846 Menschen seien in diesem Jahr bis zum 31. August in ihre Heimat zurückgekehrt.
Viele der Menschen ohne Bleibeperspektive seien in der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben gekommen. „Mit einem Einwanderungsgesetz könnten wir zumindest einigen von ihnen eine Perspektive geben“, sagte die Ministerpräsidentin. Wer ein Einwanderungsgesetz wolle, müsse sich zur Zuwanderung genauso bekennen wie zu Grenzen dieser Zuwanderung. Notwendig seien „nachvollziehbare, demokratisch zustande gekommene, für alle transparente Möglichkeiten und Begrenzungen jenseits des Asylrechts für politisch Verfolgte“.
Letztlich bleibe die Bewältigung der Flüchtlingsfrage eine europäische Frage. „Von dem Brüsseler Gipfel heute erwarte ich, dass Europa endlich aufwacht. Dass es konkrete Schritte gibt, vor allem bei der Erstaufnahme nach dem Dublin-Verfahren, danach bei der fairen Verteilung der Menschen, ohne dass unsere europäischen Standards unterlaufen werden“, sagte die Ministerpräsidentin. Die Transitländer von Deutschland dürften nicht alleine gelassen werden. Die EU müsse außerdem eine Westbalkanstrategie auflegen. Entwicklungschancen für diese Staaten und ihre junge Bevölkerung seien für die Zukunft Europas von größter Wichtigkeit. Zudem sei es dringend notwendig, dass die europäischen Partner den um Syrien gelegenen größten Flüchtlingscamps eine Soforthilfe über 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellten. „Solidarität und Perspektive gehören zusammen. Wir praktizieren Solidarität und wir arbeiten zugleich an neuen Perspektiven für unser Land“, schloss Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
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