Im Käfig liegt eine tote Maus. In ihrem grauen Fell klafft eine rote Wunde. "Wie schön", sagt Helga Steffens erfreut, als sie den kleinen Kadaver erblickt. Denn die getötete Maus zeigt Steffens, dass es einem anderen Tier langsam bessergeht: dem Wespenbussard, der weiter hinten in der Box hockt. Er frisst wieder. Ein gutes Zeichen.
Der Bussard hatte eine Verletzung am Bein, in der Wildvogel- Pflegestation Kirchwald kommt er wieder zu Kräften, ebenso wie Dutzende andere Vögel. Sie alle bleiben den Winter über in der Obhut von Steffens. Die 71-Jährige leitet die Einrichtung in der Eifel, die sie vor mehr als 20 Jahren gegründet hat. Es ist eines der größten deutschen Pflegezentren für verletzte Wildvögel.
Mit einer Schleiereule fing alles an, damals, 1983. Das Tier musste versorgt werden und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) suchte Freiwillige. Das Ehepaar Steffens sagte zu. "Wir haben in den Jahren zwei Schafe mit der Flasche großgezogen und hatten ein Uhu- Paar auf unserem Gelände angesiedelt. Warum also nicht auch eine Schleiereule pflegen?", sagt Helga Steffens im Rückblick. Belustigt schaut die Frau über ihre Brille, schüttelt leicht den Kopf. Niemand konnte ja ahnen, welcher Stein ins Rollen geriet.
Denn immer mehr verletzte oder vergiftete Vögel wurden zu Steffens gebracht. 1984 eröffnete sie schließlich offiziell die Wildvogel- Pflegestation, die sie seit 1990 über den eigens gegründeten Verein führt. In den Anfangsjahren pflegte Steffens um die 30 Tiere. Heute beziehen jährlich 1600 bis 1700 die Pflegeboxen und Flugvolieren auf dem 4000 Quadratmeter großen Anwesen. Früher einmal hatte das Ehepaar hier sein Baustoffgeschäft, heute dienen die ehemaligen Lager als Vogelhäuser und als Krankenstation. Dort hockt etwa auch der Wespenbussard, der langsam wieder Appetit entwickelt.
Generell kommen auf der Pflegestation alle heimischen Wildvögel unter, von der Amsel bis zum Zaunkönig, auch viele Greifvögel, Kraniche und Graureiher. Die meisten bleiben vorübergehend, einige aufgrund ihrer Verletzungen für immer. Und andere sterben, so wie Fischadler «Malte», den Steffens vor kurzem päppelte. Der Zugvogel, der bei einem Schutzprojekt in Mecklenburg-Vorpommern beringt worden war, war über der Mittelmeerinsel Malta abgeschossen worden, sein Fall erregte Aufsehen. Schwer verletzt wurde das Tier nach Kirchwald gebracht, eine Flügelspitze musste amputiert werden.
Fliegen, erhaben über dem Wasser kreisen, das hätte «Malte» nie mehr gekonnt. Das zuständige Bonner Komitee gegen Vogelmord ließ den Adler daher einschläfern. «Das macht mich immer noch traurig», sagt die 71-Jährige. Sie hätte anders entschieden. Lange darüber grübeln indes kann sie nicht. Zu viele andere Vögel benötigen ihre Aufmerksamkeit. Und Igel. Mehr als 60 der stacheligen Kerlchen dämmern in der Pflegestation durch den Winter.
Bis zu acht Helfer sind täglich von morgens 5 Uhr bis abends im Einsatz, reinigen Boxen und Volieren, füttern die Vögel und versorgen die Tiere medizinisch, unterstützt von Tierärzten. Diese engagieren sich ehrenamtlich, die meisten Helfer aber sind 400-Euro-Kräfte, finanziert über den Verein. Der steht zwar mit 50 Mitgliedern und vielen Förderern gut da, ist aber auf Spenden angewiesen, um das Jahresbudget von 150 000 Euro aufzubringen.
Wenn das Geld nicht langt, greift Helga Steffens in die eigene Tasche. Sie zuckt mit den Schultern, denn die Vögel sind es ihr wert. "Mein Mann und ich sagen immer: Wir fahren nicht in den Urlaub, da können wir das Geld auch für die Tiere ausgeben." Zumal sich Steffens reich fühlt, wenn sie einen gesund gepflegten Vogel zurück in die Natur lassen kann: "Wenn ich ihn in den Armen habe, sie öffne und den Vogel davonfliegen sehe, ist das einfach unbeschreiblich."
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Tiere
Hier bekommt der Bussard wieder Appetit auf Mäuse
In der Wildvogel-Pflegestation von Helga Steffens in Kirchwald im Kreis Mayen-Koblenz finden verletzte und kranke Vögel eine Zuflucht. Bis zu 1700 Tiere sind es im Jahr. Die meisten werden wieder aufgepäppelt und fliegen fort, andere schaffen es nicht und bleiben.
