| Erweiterter Ovaler Tisch

Land der Ausbildungschancen

Bevor sich die Partner des Ovalen Tischs „Rheinland-Pfalz für Ausbildung und Fachkräftesicherung“ auf Ziele einer neuen Vereinbarung ab 2014 verständigen, haben sie noch einmal Bilanz gezogen. Die Wirtschaft hat ihr Soll im vergangenen Ausbildungsjahr mehr als gut erfüllt:
Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ovalen Tisches; Bild: Stefan Sämmer / © Staatskanzlei
Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ovalen Tisches; Bild: Stefan Sämmer / © Staatskanzlei

1.928 neue Ausbildungsbetriebe wurden gewonnen und 4.614 neue Ausbildungsplätze geschaffen. „Die Landesregierung hat im vergangenen Jahr 7.911 Ausbildungsstellen in der Verwaltung bereitgestellt“, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Die Unternehmen in Rheinland-Pfalz haben ihre Anstrengungen, Jugendliche als Fachkräfte zu gewinnen, unvermindert fortgesetzt,“ kommentierte Werner Simon, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) Rheinland-Pfalz, die Zahlen.

Im Bereich von Industrie, Handel, Dienstleistungen und Handwerk wurden insgesamt 27.359 neue Lehrverträge registriert, das sind 3,2 % weniger als im Vorjahr. Wie HWK-Präsident Karl Josef Wirges und IHK–Präsident Peter Adrian für die Arbeitsgemeinschaften der Handwerks- und Industrie- und Handelskammern Rheinland- Pfalz verdeutlichten, lässt dieser Rückgang keineswegs auf eine nachlassende Ausbildungsbereitschaft schließen, sondern im Gegenteil: viele Lehrstellen konnten mangels Nachfrage von geeigneten Bewerbern im vergangenen Jahr nicht  besetzt werden.

Die Problematik Fachkräftemangel wird daher auch in diesem Jahr ein zentrales Thema der Betriebe bleiben. „Wir brauchen mehr qualifizierte und aufstiegsorientierte Bewerber, um unseren Bedarf an Leistungsträgern und künftigen Führungskräften in unseren Unternehmen zu decken“ betonten die Kammerpräsidenten.

Die Arbeitsagenturen konnten im Ausbildungsjahr 2011/2012 25.868 neue Berufsausbildungsstellen registrieren, das waren 164 mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig konnten 29.233 Bewerber und damit 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr beraten und 28.407 Ausbildungsverträge geschlossen werden. Heidrun Schulz, Leiterin der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, bezeichnete eine qualifizierte Berufsausbildung für möglichst alle Jugendlichen als unbedingt erforderlich. „Von der beruflichen Qualifikation hängt es wesentlich ab, dass sich junge Menschen in das Arbeitsleben und letztlich in die Gesellschaft integrieren können. Zusätzlich zur Beratung der Schulabgängerinnen und Schulabgänger werden die Agenturen für Arbeit in Rheinland-Pfalz daher auch junge Erwachsene ohne Ausbildung noch intensiver beraten und fördern. Wir möchten sie ermutigen, eine berufliche Qualifikation nachzuholen. Damit leisten wir zugleich einen Beitrag, den Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften zu decken“.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer war sich mit ihren Partnern am Ovalen Tisch darin einig, dass sich die Ziele des Ovalen Tischs geändert haben. Während der Ovale Tisch aufgrund eines Ausbildungsstellenmangels gegründet worden war, stehe heute die Fachkräftesicherung im Vordergrund. Denn angesichts der heute schon spürbaren Auswirkungen des demografischen Wandels müssten alle Potenziale für die zukünftige Fachkräftesicherung genutzt werden. Eine Fachkräftestrategie müsse daher auch die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen oder älteren Beschäftigten umfassen sowie die Integration von Arbeitslosen und die Anwerbung ausländischer Fachkräfte anstreben. Die künftigen Fachkräftebedarfe könnten jedoch nur gedeckt werden, wenn es gelänge, den Fachkräftenachwuchs zu sichern. „Die Garantie zu mehr Einstiegschancen in eine duale Ausbildung wie in ein Studium ist  nicht nur für die Lebensperspektive der Jugendlichen entscheidend, sondern liegt auch im Interesse der rheinland-pfälzischen Wirtschaft, die dringend qualifizierte Fachkräfte sucht“, so die Ministerpräsidentin. Dazu werde der Ovale Tisch mit allen Partnern eine zielgruppenorientierte Strategie erarbeiten.

Wirtschaftsministerin Eveline Lemke betonte, dass „alle Berufe des dualen Ausbildungssystems Chancen auf Karriere, Fort- und Weiterbildung beziehungsweise Studium bieten. Die duale Ausbildung ist deshalb für alle Schulabsolventinnen und -absolventen eine gleichwertige Alternative zu schulischen oder hochschulischen Ausbildungsgängen.“ Nicht zuletzt wegen des dualen Systems habe Deutschland im europäischen Vergleich eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Deswegen wollten Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit wie Spanien dieses Ausbildungssystem, das Praxis und Theorie in Betrieb und Schule miteinander verzahne, übernehmen. Für Jugendliche, die nicht sofort eine Ausbildung beginnen können, ist nach Lemkes Auffassung die Einstiegsqualifizierung (ein bezahltes und sozialversicherungspflichtiges Langzeitpraktikum) eine gute Chance für den Einstieg in eine duale Ausbildung.

Neben den aktuell aus dem vergangenen Berichtsjahr bei der Bundesagentur für Arbeit noch registrierten 298 unversorgten Bewerbern um einen Ausbildungsplatz sollen weitere Zielgruppen in den Blick genommen werden, die für eine Berufsausbildung und damit als zukünftige Fachkraft gewonnen werden könnten. Arbeitsminister Alexander Schweitzer sagte hierzu: „Mehr als die Hälfte aller jungen Menschen, die sich im vergangenen Jahr arbeitslos gemeldet haben, verfügten über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Dies verdeutlicht einmal mehr wie wichtig es ist, Jugendlichen die Chance auf einen Berufsabschluss zu geben.“

Der DGB-Landesbezirksvorsitzende Dietmar Muscheid stellte eine Expertise des DGB zur Problematik von Jugendlichen vor, die sich oftmals ohne Erfolg in „Warteschleifen“ des Übergangssystems von der Schule in die Ausbildung drehen, obwohl mehr als die Hälfte von ihnen einen Hauptschulabschluss hat, in Rheinland-Pfalz sogar 76,2 Prozent. Der DGB sieht im „Hamburger Ausbildungsmodell“ ein Beispiel, wie der Übergang in eine Ausbildung sinnvoll strukturiert werden kann. Die Partner des Ovalen Tischs wollen prüfen, ob Teile des „Hamburger Ausbildungsmodells“ in Rheinland-Pfalz angewandt werden können.

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